10.12.08 12:28
Stichwörter: Binnen-I, geschlechtsneutrale Ausdrücke
Noch eine Frage... Wie ist das jetzt mit der neuen Rechtschreibung? Ich weiß das nie. Soll ich "VertreterInnen", "Vertreterinnen und Vertreter" oder einfach nur "Vertreter" schreiben? Es wird ja störend, wenn in einer wissenschaftliche Arbeit die ganze Zeit "Sprecherinnen und Sprecher für die Arbeiterinnen und Arbeiter" und sowas steht.

MfG
Thea

10.12.08 12:30
Ich habe schon oft gesehen, dass irgendwo ganz am Anfang eine allgemeine Bemerkung steht, dass aus Gründen der Lesbarkeit immer nur die männliche Form genommen wird, aber selbstverständlich immer beide Geschlechter gemeint sind.

10.12.08 12:45
Wahrscheinlich ist es klug, sich danach zu richten, was an deiner Uni üblich ist (oder was dein Prof mag).
In Deutschland ist das Binnen-I als Rechtschreibfehler zu werten. In Österreich sieht das möglicherweise anders aus (siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Binnen-I ).

10.12.08 13:08
Hmm, ich glaube dass -Innen auch in Österreich falsch ist. Weil meine Arbeit sich mit der Darstellung von Frauen in den Medien befasst ist es vielleicht nicht so schön, wenn ich die männliche Form immer benutze. Dann muss ich wohl weiterhin "Leserinnen und Leser" schreiben:/
Danke für die schnelle Hilfe!
Thea

10.12.08 13:40, Geissler de
Ganz kurz meine Auffassung dazu:
1. Die "geschlechtergerechte Sprache" hat mit alter und neuer Rechtschreibung nichts zu tun.
2. Mit Rechtschreibung überhaupt hat sie nur insofern zu tun, als das Binnen-I falsch ist. Binnenmajuskeln sind nicht korrekt, Punkt.
3. Es ist hauptsächlich eine Stilfrage, ob man ständige Doppelnennungen über seinen Text verstreuen will.
4. Allerdings beruhen die Doppelnennungen auf einer Verwechslung von Genus und Sexus. Mehr dazu in diesem exzellenten Artikel: http://www.ulrichdevries.de/frauensprache.html
In einer germanistischen Abschlußarbeit sollte man derartiges durchaus thematisieren können und zu einer begründeten Entscheidung für den einen oder anderen Sprachgebrauch kommen.
5. Ich warte übrigens immmer noch darauf, daß Claudia Roth mal von "Mörderinnen und Mördern" oder "Kinderschänderinnen und Kinderschändern" spricht.

Geissler

10.12.08 14:23, peter620 de
BRAVO! Geissler
Endlich mal jemand, der eine vernünftige Einstellung zu diesem Thema hat. (durch ein Binnen-I hat sich bisher noch niemand "emanzipiert")...

10.12.08 14:29
Angelehnt an die in der Wikipedia genannte Lösung: Wie wäre es denn mit "Vertreter-innen" und "Leser-innen"? Geschlechtsneutrale Wörter fallen mir da in beiden Fällen nicht ein...
Daniela
PS: Zu Geisslers Punkt 5: Dann sollte es aber auch bitte "Nobelpreisträger und -trägerinnen", "Minister und Ministerinnen", "Präsidenten und Präsidentinnen", etc. heißen. Wenn schon, denn schon! ;-)

10.12.08 14:30
Da hat die Formatierung mich mal wieder erwischt: Ich meinte natürlich "Vertreter/-innen" und "Leser/-innen"
D.

10.12.08 15:19, Geissler de
Hei Daniela,
das ist ja der springende Punkt: Bei positiven oder neutralen Bezeichnungen ist die Doppelnennung gang und gäbe, nur bei negativen, da dürfen ruhig die Männer allein genannt werden.

Geissler

10.12.08 17:59
Ich würde einfach nur die männliche Form verwenden wenn von einer grossen Anzahl gemischtgeschlechtlicher Personen die Rede ist. Mit der weiblichen Form spricht man ausdrücklich nur die Frauen an, während mit der männlichen Form alle gemeint sind sobald es auch nur einen Mann einschliessen soll. Da das hier sowieso ein deutsch-norwegisches Forum ist: in Norwegen gibt es ja generell nur die männliche Form, obwohl die Gleichstellung im Vergleich zu Deutschland viel weiter fortgeschritten ist. Daran sollte es also nicht hängen.

10.12.08 21:09, Torbjørn no
Auf Norwegisch gab es früher viele weibliche Formen, z.B. danserinne, lærerinne etc. Die wurden leider in den siebziger Jahren als Teil der Bemühungen um geschlechtergerechte Sprache von militanten Feministinnen aus der offizielle Sprache entfernt.

Dadurch ist zwar das obige Problem mit den Doppelnennungen auf Norwegisch etwas entschärft, aber die Sprache ist dadurch armer an Nuancen geworden. Dass jemand die sich früher lærerinne genannt hat jetzt plötzlich lærer heissen soll, ist auch gerade von den betroffenen auf heftigen Kritik gestossen. Dass sie dadurch sogar als sprachlich aufgewertet gelten soll ist für mich reichlich absurd.

10.12.08 21:27
Das Witzige ist eben, dass beide Sprachen entgegengesetzte Wege gegangen sind, um zum selben Ziel zu gelangen. Deutsch hat nun Zugbegleiter und Zugbegleiterinnen, die Politessen sind Polizistinnen und der weibliche Landeshauptmann in Cisleithanien heisst Landeshauptfrau.
Norwegisch hat den " kvinnelig adjunkt med opprykk " bekommen , den " kvinnelig lege " und hier und da eine(n) " mannlig jordmor ". Aber der Sysselmann heisst auf jeden Fall Sysselmann.
Die spezifisch weiblichen Formen im künstlerischen Bereich ( skuespillerinne, pianistinne, danserinne )sind m. E. noch im Gebrauch .

Lemmi

10.12.08 21:34, Geissler de
Gegen den Gebrauch der weiblichen Form im konkreten Einzelfall spricht ja auch nichts. Aber daß immer dann, wenn der generische Begriff männlich ist -- und zwar nur dann, denn keiner verlangt die ausdrückliche Mitnennung männlicher Personen, Geiseln, Waisen, Koryphäen -- unbedingt die weibliche Form mitgenannt werden soll, ist meiner Meinung nach kontraproduktiv. Denn impliziert wird bei Formulierungen wie "Ärztinnen und Ärzte", daß Ärztinnen eben keine Ärzte sind. Tatsächlich ist es aber für die Funktion -- anders als für die konkrete Person -- völlig unerheblich, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt.

Geissler

10.12.08 21:55
... und als gäbe es noch nicht genug Kommentare:
Ganz genau, Geissler! Mir geht diese ganze "Verweiblichung" allgemeinumfassender Bezeichnungen so auf den Senkel!! Letztens hab ich im Radio gehört, wie eine ständig von "Christen und Christinnen" geredet hat! Wenn man sagt: "Sie ist Christin.", ist das ja in Ordnung, aber bitte nicht wenn man von Personengruppen spricht!!!
Gerade im Plural regt mich so was auf; mit Lehrer, Bürger, Kollegen, Schüler,... sind alle gemeint und das hat auch völlig seine sprachhistorische Berechtigung!
Inzwischen benutzt diese Doppelnennung (gezwungenermaßen) ja fast jeder, v.a. in der Öffentlichkeit, um ja nicht kritisiert zu werden. Aber geil ist, dass sich kaum einer die Mühe macht, es ordentlich auszusprechen, sodass die ganze Sache mit "Liebe Kollegin und Kollegin" - wie es dann klingt - noch lächerlicher wird!
Wie war das noch gleich, Geissler, bist du Mann oder Frau?
Könnt mich noch ewig darüber aufregen...
M

11.12.08 08:03
Versteht mich nicht falsch, ich finde diese Aufschlüsselei auch unnötig. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass das Ganze so allgegenwärtig ist, wie es einigen hier offenbar vorkommt. Ich könnte mich zum Beispiel nicht erinnern, dass ich in den Nachrichten etwas von Beratungen der "Minister und Ministerinnen" gehört hätte oder von Kundgebungen der "Ärzte und Ärztinnen".
Daniela
PS: Zitat von der Jahreshauptversammlung des örtlichen Sportvereins: "Liebe Turnbrüder und -brüderinnen!" :-)

11.12.08 13:45, Geissler de
Hast Du das noch nicht gehört? Übrigens hast Du die Reihenfolge verkehrt, denn die Geschlechtergerechtigkeit erfordert, daß Frauen zuerst genannt werden. Logisch, oder?

http://www.google.com/search?q=%22Ministerinnen+und+Minister%22
-> Ergebnisse 1 - 10 von ungefähr 15.000 für "Ministerinnen und Minister"

Dagegen 128 für "Mörderinnen und Mörder", dabei gibt es davon viel mehr (und ein nicht geringer Teil der letzteren sind nicht einmal echte Treffer, weil sie sich genau mit unserem Phänomen beschäftigen).

Geissler

11.12.08 14:02, Geissler de
PS Es geht ntürlich noch viel dämlicher: "Herzlich Willkommen an alle Studierenden und Studierendinnen unseres tollen Fachbereichs!"
Hier gilt offenbar die ⅔-Quote ...
Geissler

11.12.08 15:11
Hi hi, die Studierendinnen gibt es ja wirklich.
Dabei ist "Studierende" ja schon ein Versuch, das scheinbar diskriminierende "Studenten" zu ersetzen.

11.12.08 19:32
sukk
Ich würde aber gern ganz "normal" schreiben, wie auf Norwegisch! NUR Lehrer, Vertreter, Studenten und so weiter. Es ist so nervig, die ganze Zeit beides zu schreiben!

Glaubt ihr, dass es geht, wenn ich in einer eigentlichen feministischen Arbeit nur die männliche Form schreibe? Vielleicht kann ich es ja irgendwie begründen in der Einleitung...

Thea

11.12.08 22:33
Tja, wie definierst Du "feministisch"? Ich finde dieses ganze Aufgedrösele höchstens pseudo-feministisch. Wenn ich mir meiner selbst und der Frauen im allgemeinen sicher bin, brauche ich so was nicht!
Davon abgesehen: Wenn es sich allgemein um eine Personengruppe handelt, würde ich nur die männliche Form benutzen. Wenn es wichtig ist, dass Frauen dabei sind oder es sich nur um Frauen handelt, würde ich beide bzw. die weibliche Form nehmen.
Beispiel:
Die neue Kampagne sprach die Leser an. (-> alle, egal ob Männer oder Frauen)
Die neue Kampagne sprach die Leserinnen und Leser an. (-> vorher wurden nur die Männer angesprochen)
Die neue Kampagne sprach die Leserinnen an. (-> die Männer konnten damit nichts anfangen)
Nur mein Gefühl und nur ein Beispiel...
Daniela

11.12.08 23:36, Geissler de
Sehr gut, Daniela! Denn wenn man grundsätzlich die Doppelnennung verwendet, gehen auch solche feinen Differenzierungsmöglichkeiten flöten.

Thea, mMn kannst Du in einer Abschlußarbeit ziemlich viel machen, solange Du es schlüssig begründest.
Und zu "feministisch: Nun längst nicht alle Menschinnen und Menschen, auch nicht alle Feministinnen und Feministen, finden, daß durch ständiges "innen" ihrer Sache gedient ist. Siehe z. B. den oben von mir verlinkten Artikel.

Geissler

12.12.08 14:20
@all: wieso sollte es keine neutralen ausdrücke geben. Ich habe seit vielen Jahren kein Bock mehr drauf immer alles doppelt sagen zu müssen, habe aber auch keine Lust immer 'mitgemeint' zu sein. Es gibt auch durchaus ernstzunehmende Untersuchungen, dass sich Menschen nachweislich NICHT angesprochen fühlen, wenn nicht erwähnt.

Aber bevor ich ins Schwafeln komme, ich nutze -den oft als Endung. :-)
Die Lesenden, die Handwerkenden, die Vertretenden, die Lehrenden.

Lg, Susanne